Psychologische Faktoren bei Morbus Parkinson
Prof. Dr. H. Ellgring
1. Psychologische Faktoren bei Morbus Parkinson
Erst in jüngerer Zeit wird von wissenschaftlicher Seite den psychologischen
Faktoren der Parkinson-Erkrankung verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt,
und es wird erkannt, daß diese psychologischen Faktoren mehr sind als nur
eine unabwendbare Folge des körperlichen Defektes. Allgemein werden
Depression und Demenz als häufige Begleiterscheinungen der Parkinson-
Erkrankung betrachtet. Neben der Depression und Demenz existieren allerdings
noch zahlreiche weitere psychische Faktoren, die in Wechselwirkung mit der
Erkrankung stehen. Am deutlichsten ist dies beim Streß zu sehen: Selbst kleinste
Streßbelastungen haben einen extrem starken Effekt auf die motorischen Symptome.
Auch der vielfach zu beobachtende soziale Rückzug aus Furcht vor Beachtung
und negativer Bewertung in der Öffentlichkeit stellt eine erhebliche Behinderung und
Einschränkung des Lebens dar. Man muß hier von sekundären Symptomen der
Parkinson-Erkrankung ausgehen, die ihrerseits die Wirkung der Medikamente
modifizieren.
Gerade weil der Morbus Parkinson eine eindeutig neurologische Erkrankung darstellt und effektive symptomatische Behandlungsmöglichkeiten zum Ausgleich des Dopamin-Defizits verfügbar sind, werden die psychologischen Implikationen der Erkrankung bislang nur zögerlich berücksichtigt. Diese Implikationen werden allerdings deutlich, wenn Patienten wie auch Angehörige über lange Jahre hinweg mit einer Vielzahl an psychologischen und Verhaltensproblemen konfrontiert werden. Nur begrenzt können die organischen Bedingungen das gehäufte Auftreten von Depression ( Brown MacCarthy, Gotham, Ger & Marsden, l988, Cummings, 1992), von sozialem Rückzug von Sensibilität gegenüber belastenden Situationen und von Einschränkungen kognitiver Funktionen ( Dakof & Mendelsohn, 1989) erklären.
Für eine Beteiligung psychologischer Faktoren spricht u.a., daß bei depressiven Zuständen von Parkinson-Patienten Gefühle von Hilflosigkeit, Resignation und erhöhter Angst beobachtet wurden (Diller & Riklan, 1956; Döring, 1984), kaum jedoch Schuldgefühle, Selbstvorwürfe oder Wahn. Zudem spielten offensichtlich auch das Vorhandensein und die Qualität der Partnerschaft eine Rolle (Seiler, Perleth, Gasser, Ulm, Oertel & Ellgring, 1992): Patienten, deren Ehe oder Partnerschaft sich im Verlauf der Krankheit verschlechtert hat, zeigen höhere Depressions-Werte als solche mit stabil positiver Partnerschaft. Alleinstehende Patienten zeichnen sich ebenfalls durch höhere Depressions-Werte aus bei allerdings erhöhter Selbständigkeit.
Es wird zudem deutlich, daß sich die Erkrankung nicht im luftleeren Raum abspielt, sondern in einer sozialen Umgebung. In aller Öffentlichkeit können die Bewegungsstörungen bemerkt werden, und dies belastet zusätzlich den Patienten. Auch wenn die Patienten eine negative öffentliche Bewertung der Symptome wesentlich stärker befürchten, als sie tatsächlich ist, so liegt doch darin vielfach ein Grund für sozialen Rückzug. Das damit verbundene Vermeidungsverhalten verhindert wiederum, daß der durch die gewonnene Freiraum auch den Möglichkeiten entsprechend genutzt wird.
Besondere Schwierigkeiten erfahren auch die Angehörigen. Aus psychologischer Sicht sind die pflegenden Angehörigen mehr als nur in ihrer Rolle als klaglos funktionierender Teil der Therapie wahrzunehmen. Für sie ergeben sich neben den langjährigen zusätzlichen Belastungen durch die häusliche Pflege Veränderungen in der Lebensplanung, im Selbstbild und auch in der Beziehung zum Patienten.
Wenn bislang auch viele Patienten der Betrachtung psychologischer Faktoren gelegentlich reserviert gegenüberstanden, so lag das u. a. daran, daß sie sich nicht noch mit einem zusätzlichen Problembereich belasten wollten. Auch die Befürchtung, als geisteskrank eingestuft zu werden, hält Patienten vielfach zurück, psychologischen Rat zu suchen.
Indem sich aber ein Patient nicht mehr gleich in die psychiatrische Ecke gedrängt fühlen muß, wenn psychologische Faktoren einer Erkrankung betrachtet werden, sich auch der Blick für die Möglichkeiten psychologischer Maßnahmen zur Verbesserung seiner Situation und der seiner Angehörigen.

Bevor die Frage nach psychologisch-therapeutischer Unterstützung gestellt werden kann, ist zunächst zu ermitteln, welche Faktoren besonders belastend sind, wie sie in Wechselwirkung mit der Symptomatik stehen und welche psychologischen Verfahren zur Verbesserung verfügbar sind.

2. Bereiche psychosozialer Belastungen
Psychosoziale Belastungen beziehen sich auf eine Vielzahl von Bereichen des Verhaltens und Erlebens. Aufgrund einer bundesweiten Befragung von 325 Parkinson-Patienten und ihrer Angehörigen (Ellgring, Oertel, Ploog & Struppler, 1991) ergaben sich die folgenden vier Bereiche, in denen nahezu jeder Patient Belastungen erlebt (es werden jeweils zwei Beispiele genannt, die von mindestens 70 Prozent der Patienten als, psychisch belastend eingestuft wurden):
1. Psychologische Belastungen aufgrund der körperlichen Symptome:

Verminderte Handgeschicklichkeit (97 % )
Verminderte Gestik und Körpersprache (86 %)
2. Verminderte Leistungsfähigkeit
Verlangsamung (96 % )
Verminderte Motivation und Antrieb (90 % )
3. Angst und psychologische Probleme
Angst vor der Hilflosigkeit (93 % )
Zunahme der Symptome unter minimalem Streß (90 % )
4. Probleme in der sozialen Interaktion
der Überlastung bei Anwesenheit vieler Menschen (84 %)
Unsicherheit im_ Gefühl sozialen Umgang mit anderen (83% )
5. Probleme in Partnerschaft und Familie (für n = 241 Patienten mit Partner)
Weniger gemeinsame Aktivitäten (83 %)
Sorgen um die Belastung des gesunden Partners ( 70 % )
 
Die Belastungen sind durchweg signifikant höher als bei altersvergleichbaren Kontrollen ( et al, 1991). Dabei scheinen Patienten mit vornehmlich akinetisch-rigider Symptomatik stärkere Belastungen zu erleben als Patienten vom tremor-dominanten Typ (Perleth, Seiler, Gasser, Ulm, Oertel & Ellgring 1992) Weitere Veränderungen des Verhaltens und Erleben, betreffen folgende Bereiche:
Der verminderte mimische und stimmliche Ausdruck; des eigenen Erlebens und damit verbunden die Schwierigkeit, die eigene Persönlichkeit ausdrücken zu können.
Die Einschränkung von Interessen und des allgemeinen Antriebs.
Verminderte Sinnesempfindungen etwa bei Gerüchen mit gleichzeitig erhöhter Empfindlichkeit gegenüber freudigen, ärgerlichen oder anderen Reaktionen.
Verbindung mit dieser Empfindlichkeit die Verstärkung von Symptomen bei minimaler emotionaler Erregung und vor allem Streß.
 
Soziale Wirksamkeit der motorischen Symptomatik:
Die Parkinson-Erkrankung ist nicht etwa wie der Diabetes eine private, sondern durch die motorische Symptomatik in hohem Maße auch eine sozial wirksame Erkrankung. Sie manifestiert sich in körperlichen Symptomen, die von der Umgebung bemerkt werden. Mehr noch als dies tatsächlich der Fall ist, befürchten Patienten häufig, daß sie als Person unangenehm auffallen. Die führt zu erheblicher Verunsicherung, die ihrerseits den Streß verstärkt.
 
Dissoziation von Ausdruck und Erleben:
Die Dissoziation von Ausdrucksverhalten und Erleben belastet sowohl die Patienten als auch die soziale Umgebung: Die Patienten erleben Emotionen, können sie aber nicht mehr hinreichend ausdrücken. Die fehlenden Mitbewegungen des Kopfes beim Sprechen vermitteln den Eindruck, daß der Patient unbeteiligt starr und zusätzlich verlangsamt sei. Zu beachten ist dabei die Diskrepanz zwischen Verhalten und Erleben. Die Patienten vermitteln mit ihrem Verhalten den Eindruck, daß sie kaum interessiert bzw. gefühlsmäßig gleichgültig sind. Angehörige betrachten dies manchmal auch als Unehrlichkeit. Hingegen berichten die Patienten bei sich selbst von einer erhöhten Empfindlichkeit.
 
Sozialer Rückzug:
Soziale Angst und Streß-induzierte Zunahme der Symptome resultieren eindeutig aus einer Wechselwirkung von somatischen psychologischen Faktoren. Patienten befürchteten, in der Öffentlichkeit negativ bewertet zu werden, kritische Bemerkungen zu erhalten usw. Bereits in der Erwartung solcher Situationen kommt es zu sozialem Rückzug.
Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, ob der Patient Strategien für eine verbesserte emotionale Balance entwickeln kann:
 
3. Psychologische Maßnahmen
Das allgemeine Ziel psychologischer Interventionen ist es, die Widerstandskräfte im Verhalten und Erleben gegenüber den vielfältigen Belastungen zu stärken. Damit soll erreicht werden, daß der Patient den durch die Medikamente gewonnenen Freiraum optimal nutzen kann. Wir sprechen hier von psychologischen Maßnahmen oder Interventionen, um deutlich zu machen, daß nur zu einem Teil eine Psychotherapie in der klassischen Form angezeigt ist, bei der es um die Heilung von Neurosen geht. Bei den psychologischen Interventionen für die Parkinson-Krankheit geht es vor allem um den Umgang mit der Erkrankung und die Bewältigung psychologischer Folgen.
Bei psychologischen Maßnahmen sollten vor allem solche Verfahren eingesetzt werden, die sich bereits bei anderen Störungen, vornehmlich auch bei chronischen Erkrankungen als wirksam erwiesen haben. Solche Verfahren haben als Ziele,

a) aktuelles Verhalten zu verbessern,
b) förderliche statt hinderliche Gedanken zu entwickeln,
c) körperlich-seelische Entspannung zu erreichen.

 
Es handelt sich hierbei in der Regel um Verfahren der "Kognitiven Verhaltenstherapie", die auf eine Verbesserung des aktuellen Verhaltens und Erlebens gerichtet sind (Ellgring, Seiler, Nagel, Perleth, Gasser & Oertel, 1990: Ringendahl, Ebener, Scholz & Wusch-Wöltle, 1990: Leplow, Bamberger, Möbius & Ferstl (1993).
Da erst in den letzten Jahren für die Parkinson-Erkrankung solche Maßnahmen erprobt wurden, ist man gerade was die Entwicklung neuer Methoden angeht, noch auf weitere Forschung angewiesen. Insofern werden z. Z. vor allem unspezifische Interventionen eingesetzt, die für Probleme bei verschiedenen chronischen Erkrankungen wirksam sind.
Spezifische Interventionen, die besonders die Situation bei Parkinson berücksichtigen, etwa bei den Entspannungsverfahren, bedürfen noch fortlaufender Weiterentwicklung. Aus Platzgründen wird hier nicht auf verschiedene Trainings zur Verbesserung der Bewegungsabläufe wie sie in der Gymnastik, Physiotherapie etc. durchgeführt werden, oder auf Trainings geistiger Funktionen eingegangen. Vielmehr soll der Umgang mit psychischen Belastungen im Vordergrund stehen.
 
3.1 Umgang mit Belastungen
Das Training zur Streßbewältigung ist ein Verfahren, das insbesondere dazu dient, dem sozialen Rückzug von Patienten entgegenzuwirken. Dabei geht es darum, die belastenden Elemente einer Situation zu erkennen und einen negativen Zirkel von hinderlichen Gedanken, Depression, Anspannung und Symptom-Verstärkung zugunsten eines positiven Zirkels zu durchbrechen. Zur Streßbewältigung gehört auch das Sprechen über die Erkrankung. Anderen, etwa am Schalter oder beim Einkaufen, mitzuteilen, daß man an Parkinson erkrankt ist, setzt voraus, daß man sich mit der Erkrankung gedanklich auseinandersetzt. Es hat sich gezeigt, daß diejenigen Patienten geringere Belastungen aufweisen, die zu ihrer Erkrankung stehen können.
 
3.2 Verhaltenstraining
Der Ausbau sozialer Fertigkeiten ist ein Zielbereich, der über die direkte Übung von motorischen Abläufen hinausgeht: Hierbei lernt der Patient, schwierige soziale Situationen, die früher für ihn meist ohne irgendein Problem waren, auch mit der Parkinson-Erkrankung zu meistern. Eine solche schwierige Situation kann etwa das Drängeln der anderen an der Kasse sein, oder für den Lehrer die Situation, daß er seinen Schülern erklären möchte, daß er an Parkinson erkrankt ist.
 
3.3 Veränderung von Denkmustern
Angesichts der Leistungseinbußen bei einem Teil der geistigen Funktionen erscheint es wesentlich, daß der Patient die eigenen Leistungsmöglichkeiten weiterhin anerkennen und schätzen kann. Dies ist besonders dann wichtig, wenn sie im Vergleich zu seinem früheren Niveau niedriger liegen.
Hier ist daran zu erinnern, daß die Verlangsamung des Denkens oder auch die Schwierigkeiten schnellen Wechseln, im Gespräch zu folgen, nicht mit Demenz gleichzusetzen ist (Ellgring & i, Schneider, 1993). Dennoch beeinträchtigt diese Verlangsamung ganz erheblich den Umgang mit anderen, verunsichert den Patienten und läßt ihn als Folge seines Schweigens für andere desinteressiert erscheinen. Nur wenn der Patient eine Einstellung erreicht, nach der er zu seiner Verlangsamung stehen kann wird er weiter sozial aktiv bleiben können. Auch eine Verlagerung von Interessengebieten, die den eigenen augenblicklichen Fähigkeiten angemessen sind, ist von hohem Wert. Der hier zu vollziehen' Lernprozeß, daß der Patient die Erkrankung akzeptiert, dabei aber nicht resigniert, sondern die verbliebenen Möglichkeiten erkennt und positive nutzt. Die erheblichen individuellen Unterschiede, die sich in dieser Hinsicht beobachten lassen, Iegen ein Untersuchungspotential der psychologische Maßnahmen nahe.
 
4. Angehörige
Angehörige erleben ebenfalls eine Vielzahl körperlicher und psychischer Belastungen durch die Parkinson-Erkrankung. Gerade angesichts der häufig über 10 bis 20 Jahre dauernden häuslichen, Pflege erscheint es notwendig, im Sinne -, einer Prävention bereits frühzeitig den Angehörigen auch psychologische Unterstützung anzubieten.
 
4.1 Stützung der Angehörigen
Eine Stützung der Angehörigen erfolgt zum einen durch Information über psychologische Veränderungen des Patienten. Auch Informationen über mögliche Krankheitsentwicklungen tragen dazu bei, daß man sich dem Geschehen nicht hilflos ausgesetzt fühlt. Allerdings sollten diese Informationen sachlich und keineswegs dramatisierend gegeben werden. Sie sollten auch, wie etwa bei der Gefahr des Hinfallens oder beim Auftreten von Halluzinationen beim Patienten, den Angehörigen auf angemessene Reaktionen vorbereiten. Sachliche Informationen, wie etwa darüber, daß die Denkverlangsamung nicht gleich Demenz zu setzen ist, bieten ebenfalls eine Unterstützung. Allerdings darf man nicht immer eine Lösung des Problems allein durch die Information erwarten. So ist es notwendig auf die Schwierigkeiten in der gefühlsmäßigen Ansprache aufmerksam zu machen: daß Parkinson-Patienten charakteristischerweise zwar Gefühle erleben, aber schwerer oder gar nicht in der Mimik oder Stimme ausdrücken können. Doch selbst wenn man dieses Symptom kennt, bleibt der gefühlsmäßige Austausch immer noch erschwert. Insbesondere aus der Streßanfälligkeit der Symptome ergeben sich zahlreiche Probleme für die Angehörigen. Eine Beobachtung, bei der Angehörige gelegentlich Mutwilligkeit beim Patienten vermuten, ist folgende: Gerade in Situationen, in denen es drauf ankommt, ist plötzlich die Beweglichkeit nicht mehr da, Für den Patienten bedeutet selbst schon der Gedanke daran, das Haus in einer halben Stunde zu verlassen, einen erheblichen Streß und führt zur Unbeweglichkeit. Informationen über die Wechselwirkung von medizinischen und psychologischen Bedingungen der Erkrankung tragen hier zu einem besseren Verständnis bei.
 
4.2 Paartherapie
Problematisch erscheint bisher die Durchführung einer Paartherapie, solange nicht spezielle Themen und Vorgehensweisen erprobt wurden, die der Situation der Parkinson-Erkrankung angemessen sind. Nicht selten werden unter der Belastung durch die Erkrankung Probleme in der Paar-Beziehung deutlich oder auch verschärft, die im gesunden Zustand geringere Bedeutung hatten. Auch die größere Abhängigkeit zwischen Patienten und pflegendem Partner, die Anforderungen an uneingeschränkte Aufmerksamkeit die Empfindlichkeit, die verringerte sichtbare gefühlsmäßige Resonanz, komplizieren den Umgang miteinander. Bislang ist allerdings noch nicht untersucht, ob und welche Formen von Paartherapie hier stützen können. Stark konfrontierendes Vorgehen, Aufdecken verborgener Beziehungsmuster sollten nicht angewendet werden. Zuvor mußte durch wissenschaftliche Untersuchungen geklärt werden, welche der ansonsten verwendeten Strategien für Paar-Behandlung und Therapie auch für die Situation von Parkinson-Patienten angebracht sind. Erfahrungen von Patienten und Angehörigen, die uns gelegentlich mitgeteilt wurden, sprechen zunächst gegen eine Verwendung von herkömmlichen Methoden.
Wichtig erscheint allerdings, daß auch der gesunde Partner die Möglichkeit hat, über seine Belastungen sprechen zu können. Auch ein gemeinsames psychologisches Beratungsgespräch sollte als Unterstützungsmöglichkeit angenommen werden.
 
4.3 Ausbildung der Angehörigen
Angesichts der Tendenz zu verstärkter häuslicher Pflege erscheint es mehr als notwendig, auch die Angehörigen als häusliche Pflegekräfte auszubilden. Diese Ausbildung sollte nicht nur die körperliche, sondern auch die "seelische" Betreuung einschließen. Für die Angehörigen heißt dies u.a. aktiv für sich selbst eine größere Entlastung und gezielte Erholung von Belastungen durch die häusliche Pflege zu suchen. Das bedeutet auch, daß Angehörige lernen, ohne schlechtes Gewissen ihren eigenen | Freiraum zu bewahren und die Selbständigkeit des Patienten zu fördern.
 
5. Ausblick
Zahlreiche Fragen zu psychologischen Interventionen bei der Parkinson-Erkrankung sind bisher ungeklärt. Offen ist z. B. welche Strategien zu welchem Zeitpunkt für den Umgang mit der Erkrankung besonders effektiv sind. So zeigt sich beispielsweise, daß solche Patienten weniger Schwierigkeiten haben, die zu der Erkrankung stehen, als solche, die versuchen, sie zu verbergen. Andere Patienten haben für sich in der Bewältigung der Erkrankung eine Stufe erreicht, auf der die Furcht vor "öffentlicher Beachtung bereits überwunden wurde. Für sie ist es wichtiger, mit der Allgegenwärtigkeit der Erkrankung fertig zu werden - jeder Gedanke, jede Handlung wird überlagert durch das Wissen und Spüren der Erkrankung. Sich hier den inneren Freiraum zu schaffen, ist, wenn auch nur in Teilbereichen, möglich. Die Konfrontation mit dem Verlust an Freiheit ist ein schmerzlicher, aber letztlich wahrscheinlich notwendiger Prozeß. Ein wesentliches Ziel psychologischer Maßnahmen wird es weiterhin sein, Patienten und Angehörige dabei zu unterstützen, die Belastungen durch die Erkrankung besser zu bewältigen. Vor allem sollen die jeweils vorhandenen eigenen körperlichen und seelischen Möglichkeiten soweit wie möglich aktiviert und genutzt werden.
Prof. Dr. J.-Heinrich Ellgring Diplom-Psychologe, Dr. phil.